22.5.14
Ein außergewöhnliches Licht über
Tempelhof, die Sonne hat sich schon verabschiedet, doch der Horizont
hängt rötlich-orange über der Stadt. Die ersten Sterne sind
zu sehen.
Auf dem Feld viele Spaziergänger,
weiter hinten steht ein gemischter acapella-Chor im Kreis und singt:
„Sweet Dreams“ und „Eye of the Tiger“, eine Menschentraube
hat sich um die Singenden gebildet. Ich bleibe kurz stehen, höre von
einiger Entfernung zu, gehe dann weiter.
Andere Besucher haben sich ins Gras
gelegt, die Arme hinter dem Nacken verschränkt und die Augen nach
oben gerichtet. Obwohl die Tore eigentlich schon geschlossen wurden,
sind sie noch da. Sie machen keine Anstalten, nach Hause zu gehen,
bleiben hier, bis das letzte Licht hinter dem langgestreckten
Flughafengebäude verschwunden ist. Vielleicht bleiben sie die ganze
Nacht. Ein Liebespaar zieht Arm in Arm an mir vorbei. Über ihren
Köpfen dieser unverschämt weite Himmel, der einzigartig ist und nur
hier zu existieren scheint.
Auf dem Rückweg entsteht plötzlich
ein Stau am Drehkreuz: ein Flaschensammler bleibt mit seinem prall
gefüllten Einkaufswagen darin hängen, es geht weder vor noch
zurück. Die Leute warten geduldig, einige müssen lachen. Nach
einigem Hin und Her kann der Pfandkönig das verkeilte Rad seines
Wagens lösen und es geht weiter. Applaus von den Wartenden. Sie
setzen sich langsam in Bewegung und wandern hinaus ins Freie. Dann
zerstreuen sie sich in den warmen Abend.