Donnerstag, 26. Juni 2014


26.6.14
Der Mauerpark. Dort liegt er wie ein Denkmal der Neunziger Jahre. Die Wolkendecke lockert etwas auf und die Sonne zeigt sich. Es sind nur wenige Leute unterwegs, einige Radfahrer, eine einsame Raucherin. Auf dem Weg steht eine traurige Gestalt mit schwarzer Mütze, schwarzer abgetragener Jacke und ausgelatschten Turnschuhen. Als ich vorbeigehe, erwarte ich schon die obligatorische Ansprache: “Tschuldigung, haste vielleicht n Bisschen Kleingeld?” aber sie kommt nicht. Stattdessen hebt der traurige Mann nur kurz den Blick und senkt ihn wieder.
Ich gehe ein Stück weiter, unter einer Baumgruppe auf einer Mauer sitzen Mittfünziger und unterhalten sich. Vor zwanzig Jahren, die Zeit nach dem Mauerfall, waren sie in meinem Alter, vielleicht saßen sie damals auch schon hier, ihr halbes Leben noch vor sich. Jetzt haben sie es fast schon hinter sich. Ich gehe noch ein Stück weiter, drehe dann um. Die einsame Raucherin hat jetzt eine Trommel hervorgeholt und schlägt einige Rhythmen, zwei Passanten ruft sie hinterher: “Ihr fresst zuviel!” Ich muss grinsen.
Wieder passiere ich den traurigen Mann. Diesmal fragt er mich nach einer Zigarette. Ich halte an. “Leider Nichtraucher.” Er schaut mich an, seine Augen sind klar, er hat keine Fahne. “Vielleicht n Bisschen Kleingeld?” Seine Frage wirkt mechanisch, so als müsse er sie stellen. Ich schaue ihn an, gebe ihm alles was ich dabeihabe. Er lächelt und schlägt sich mit der Faust auf die linke Brust: “Respekt.” “Bis bald”, sage ich aus irgendeinem Grund. Dann winkt er mir noch. Ich gehe zurück zum Ausgang.

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