Montag, 18. Mai 2015


13.5.15
Am U-Bahnsteig Boddinstraße begegnet mir der Dandy. Ich nenne ihn so, weil er aussieht, wie aus einem der großformatigen Schwarzweißbilder entsprungen, die seit Renovierung der Station vor einigen Monaten an den Haltestellenwänden hängen und Neuköllner Straßenszenen der 20er und 30er Jahre zeigen. Er trägt weite Hosen, beige, mit Buntfalte, Schiebermütze, hochgekrempeltes, ockerfarbenes Hemd, Weste darüber, aber lose, nicht zugeknöpft. Im Winter habe ich ihn auch schon manchmal gesehen, den Dandy, da trug er Mantel und Hut, dazu immer korrekt gewichste und gebürstete Schuhe, er kam in dieser Aufmachung unter meinem Fenster vorbei oder mir auf der Straße entgegen. 
Heute ist er mit seiner Freundin unterwegs, hält eine Bierflasche in seiner rechten Hand. Und er spricht deutsch, was mich überrascht, bisher hatte ich ihn immer für einen Engländer gehalten. Seine Augen sind hellblau und glasig, sein Gesichtsausdruck melancholisch bis traurig, abwesend, er schaut sich um, als suche er etwas, vielleicht etwas, das er vor langer Zeit verloren hat. Er steigt in die Bahn, die eben eingefahren ist, seine Geliebte an der Hand. 
Ich steige ebenfalls ein, fahre aber nur eine Station.

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